Andrea Lein (1959 )
Andrea Lein im Wunderland
Eintauchen in die Bilder Andrea Leins, das heißt, sich einer Welt zu überlassen, die sich nicht an unsere Regen hält. Materielle, technische und räumliche Sprünge verselbstständigen sich verträumt zu einer Malerei, auf der Suche nach dem Geheimnis, das sich in Malerei verbirgt. Die Bilder scheinen Spuren einer Entdeckungsreise ins Wunderland der Malerei, in der unsere visuelle Logik nicht mehr gilt.
Andrea Lein bewegt sich der Malerei mit einer traumwandlerischen Sicherheit, die nicht vermuten lässt, dass ihr künstlerischer Weg mit einer Töpferlehre in den Jahren 1978 bis 1982 begann, ergänzt durch ein zweijähriges Abendstudium der Plastik an der Kunsthochschule Weissensee. Das anfängliche Interesse für plastische Gebilde wirkt noch in Leins Malerei bis heute nach. Beim Studium der "Freien Kunst" an der Kunsthochschule auf Burg Giebichenstein bei Halle entdeckte sie die Malerei, die später ihr eigentliches Metier werden sollte.
Zurück in Berlin wurde Andrea Lein Zeugin einer Entwicklung, welche auch von "vernünftigen" Menschen nicht erwartbar war. Aus zwei deutschen Staaten wurde einer und die neue Hauptstadt wurde zum Brennpunkt der Wiedervereinigung. In allen gesellschaftlichen Bereichen ergaben sich neue Blickwinkel, auch im Bereich der Kunst. Es bildete sich eine gärende Mischung aus gegenseitiger Neugier, Neuaufbruch, Nostalgie des Morbiden und scheinbar unbegrenzter Möglichkeiten. Dieser Stimmung zog Künstler, Sammler und andere Protagonisten der Kunstszene aus aller Welt nach Berlin.
In den 90-er Jahren, als Berlin sich suchte, entwickelte Andrea Lein experimentell die Grundlagen ihrer Malerei. Sensibel brachte sie eine unkonventionelle Form der Collage und Decollage zur Reife, die eine eigene und vielschichtige malerische Poesie hervorgebracht hat. In den neuen Bilder bringt Andrea Lein ihr malerisches Repertoire genauer dosiert ein. Sie schafft es ihre Freude an der Verbindung von kindlicher Phantasie und malerischer Poesie auf den Betrachter zu übertragen. Ihre jüngst entstandenen Werke zeigen fokussierte Gebilde, die einen kafkaesken Beiklang bekommen. Dadurch wirken die Bilder vordergründig einfacher, aber doch geistig vielschichtiger. Sie wollen nicht mehr die Phantasie des Betrachters mitreißen, sondern zum Geheimnis verlocken.
Markus Döbele
in: Andrea Lein - Neue Bilder. Dettelbach 2015